Zugegeben, jeder Jahr plagte mich erneut das schlechte Gewissen, wenn die Krötenzäune aufgestellt waren und ich trotzdem viele tote Kröten auf den Straßen gesehen habe.
In diesem Jahr habe ich gelesen, dass österreichweit Helfer und Helferinnen gesucht werden, ich habe mich gemeldet und die Telefonnummer von einem Herrn in Loosdorf bekommen. Der Name kam mir gleich bekannt vor und wir stellten fest, dass wir uns schon lange kennen.
Leo Bieber macht die Krötenhilfe schon seit 12 Jahren, er ist versiert und arbeitet mit seinen Freiwilligen nach einem gut strukturierten Zeitplan. So wurde ich für einen bestimmten Tag, besser gesagt, Abend, eingeteilt, was mir bei meinem Arbeitspensum auch sehr recht war.
Leo geht seit vielen Jahren einen anderen Weg, obwohl ein Krötenzaun installiert ist, holt er die Kröten aus dem Wald ab, sammelt sie in Kisten und bringt sie zum begehrten Ziel – zwei Teichen ein schönes Stück von der stark befahrenen Bundesstraße mit dem Auto, wo er sie freilässt. Dieses „Krötentaxi“ rettet noch mehr Tiere als ein normaler Zaun.
Mir wurde alles genau gezeigt und meine vielen Fragen sehr sorgsam beantwortet, nun weiß ich sehr viel mehr über diese liebenswerten Geschöpfe.
Die Population an diesem Ort beträgt um die 250 Tiere, wobei die männlichen Tiere überwiegen, aber das scheint in ganz Österreich so zu sein.
An einem Abend regnete es leicht, wir waren zu viert und kamen mit dem Einsammeln der Kröten, die sich bereits auf der Rückwanderung befanden, kaum nach. In kürzester Zeit hatten wir zirka 140 Tiere eingesammelt.
Man muss schon ein geschultes Auge haben, um die kleinen Wandergesellen im Licht der Taschenlampe zu erspähen und extreme Vorsicht ist angebracht, damit man auf keine Kröte tritt.
Irgendwie erinnerte es mich ein bissen an Eiersuchen…und jede entdeckte Kröte wurde freudig im Kübel verstaut. Dann wurden sie nach Geschlechtern getrennt in die Boxen verfrachtet und am Waldrand ausgelassen, wo sie wieder in ihr Refugium zurück konnten.
Ich merkte beim Sammeln, wie unterschiedlich diese hübschen Tiere aussehen, die großen Weibchen, die kleinen Männchen, manche schimmern golden, manche rötlich, manche tragen ein Muster am Rücken.
Das Leise Quaken im Eimer ließ uns wissen, dass die Tiere eigentlich keine Lust hatten, im Kübel zu landen, aber waren sie erst freigelassen, machten sie sich munter auf ihren Weg.
Für mich waren diese Tage des Krötenrettens eine ganz wunderbare Erfahrung und diese Tiere sind mir noch mehr ans Herz gewachsen als zuvor, als ich nur die toten, plattgefahrenen Kröten auf den Straßen sah, was mich immer tieftraurig werden ließ.
Motiviert durch diesen Einsatzort macht ich mich an mehreren Abenden auf den Weg, auch in Steinparz und St.Leonhard am Forst nachzusehen, auch hier gibt es Krötenzäune, aber gerade in St.Leonhard fanden sich sehr viele tote Tiere auf der Straße.
Kein Wunder, kaum ein Autofahrer verringerte seine Geschwindigkeit, trotz Schilder, die auf die Krötenwanderung hinwiesen.
Natürlich geht ein Krötenretter immer mit Warnweste, Eimer, Taschenlampe und Handschuhen, nicht weil wir uns ekeln, ganz im Gegenteil diese Tiere sind absolut liebenswert, sondern, damit man sie nicht eventuell mit menschlichen Keimen verseucht.
Wie gesagt, Warnweste und Taschenlampe, ich war sicherlich gut sichtbar, aber kaum ein Auto wurde langsamer…viele Kröten saßen mitten auf der Straße und überlebten nur durch ein Wunder.
Ein besonderes Exemplar fand ich eines Nachts und zuerst dachte ich, sie sei tot. Aber sie schien unverletzt bis auf etwas Rosafarbenes, das ihr aus dem Mund hing. Mein erster Gedanke war, dass es wohl Organe sein, die durch das Überfahren aus hier rausgepresst wurden, doch da der Körper unversehrt aussah, war ich mir nicht sicher – schnell war sie im Kübel eingepackt und ich fuhr mit dem Krötenbuben heim. Vom Dachboden holte ich ein Miniterrarium und füllte es mit Erde und Blättern, es war schon spät und ich stellte sie in einem kühlen Raum, sicher vor den Hunden.
Am nächsten Tag öffnete ich voll Sorge und Angst das Behältnis, war der Kröterich tot? Nein, er blickte mich unverwandt an, immer noch das rosa Zeugs aus dem Mund hängend, nun mit Erde verklebt. Mein anfänglicher Verdacht, dies könnte die Zunge sein, erhärtete sich. Ich hielt die kleine Kröte unter die Wasserleitung und spülte die Erde von der Zunge. Die Kröte hielt im wahrsten Sinne des Wortes verbissen daran fest, ihre Zunge nicht mehr zurückzuziehen. Mittels einer Pinzette öffnete ich ihr vorsichtig den Mund und versuchte die Zunge reinzustopfen, was mir auch teilweise gelang, aber dann zog das Tier die Zunge von selbst vollständig ruckartig zurück. Endlich, das war geschafft, sie schien tatsächlich unverletzt, wohl jedoch unter Schock.
Ich brachte sie zurück ins Terrarium und fing im Garten einen kleinen Wurm, den ich ihr vorsetzte, Der Wurm tat mir ja auch leid, aber die Kröte musste doch etwas zu sich nehmen. Ob sie dies dann tatsächlich getan hat, kann ich nicht sagen. Ich besprühte sie immer wieder mit Wasser und holte feuchtes Laub. Leo fragte ich um Rat und er meinte, ich solle noch warten, bis sie sich von selbst bewegt. Am nächsten Tag blickte sie mich mit ihren schönen Augen an und ich setzte sie ins Hochbeet im Garten, dort ließ ich sie zunächst unter alten Blättern sitzen. Doch es ließ mir keine Ruhe, als ich Nachschau hielt, bewegte sie sich endlich. Zurück ins kleine Terrarium gebracht, wartete ich bis zur Dämmerung und dann ging es ab nach Hause. Ich brachte sie dorthin zurück, wo ich sie gefunden hatte, denn Kröten sind standorttreu. Natürlich brachte ich sie auf jene Seite der Straße, wo sie daheim war, ließ sie bei den Bäumen frei und wünschte ihr ganz viel Glück.
Sicherlich hat sie es geschafft, da bin ich mir ganz sicher.
Viele haben es nicht geschafft, sie sind auf ihrem Weg der Bestimmung folgend, getötet worden. Wie viele Autos konnte ich sehen, die gnadenlos weiter rasten, vielleicht gleichgültig, vielleicht mit Absicht.
„Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“, so sagte einst Albert Schweitzer
Dies hat Gültigkeit für alle Lebewesen auf dieser Erde.
Wir Menschen zerstören bereits soviel, es ist unsere Pflicht, Tieren zu helfen, damit sie überleben.
Es ist ein wunderbares Gefühl, ein kleines Stück dazu beigetragen zu haben, damit unschuldige Lebewesen ihr Leben fortführen dürfen, sich fortpflanzen können, um ihre Art zu erhalten, um zu überleben.
Ich wünsche allen Kröten ein gesichertes Überleben, ihrem Nachwuchs eine sichere „Reise“ aus den Teichen in die Wälder, Fluren und Wiesen.
Uns Menschen wünsche ich mehr Nachsicht diesen oft nicht allzu schnellen Straßenbenützern gegenüber, mehr Ruhe und mehr Mitgefühl für unsere Mitlebewesen.
Allen Krötenschützern drücke ich an dieser Stelle mein Dank für ihre unermüdliche Tätigkeit im Dienste der Natur aus.
Übrigens: Kröten gelten in zahlreichen Kulturen als Wesen der Weisheit und Intuition. Ihr ausgeprägtes Bewusstsein und ihre Fähigkeit, subtile Veränderungen in ihrer Umgebung wahrzunehmen, erinnern uns daran, unseren Instinkten zu vertrauen und auf unsere innere Weisheit zu hören. Die Kröte ermutigt uns, unsere Intuition zu nutzen und Entscheidungen auf der Grundlage unserer inneren Führung zu treffen 🙂