Reisebericht_April_2019
Robin Hood war vom 23.4.-29.4.2019 in Kurdistan, im Nordirak. Bereits zum zweiten Mal, 2016 war der erste Besuch.
Mit diesem chronologischen Reisebericht möchte ich die wichtigsten Unternehmungen festhalten, die wir vor Ort getätigt haben.
23.4.
Ankunft in Erbil
Unser Freund und Projektpartner Dr.Sulaiman Tameer Saed holt mich ab und wir fahren nach Duhok.
Es hat die Tage zuvor stark geregnet, völlig untypisch für den Irak. Flüsse sind über die Ufer getreten und die Straßen waren überschwemmt. Vorbei geht es an kleinen Dörfern, Ziegenherden, Eseln, Streunerhunden, bunten Gemüsemärkten. Es ist viel Verkehr, viele LKWs, viele mit Öl beladen…
Duhok ist eine schöne Stadt von Bergen umrahmt, zahlreiche noble Geschäfte, Restaurants, schöne Autos…man sieht der Irak ist ein Ölstaat. Aber es gibt auch arme Viertel und gerade am Stadtrand sieht man Armut, Müll, tote Tiere…
Sulaiman sucht mir ein günstiges Motel und noch in der Nacht, um 23 Uhr geht es zu einem kleinen Patienten. Ein Streunerwelpe ist 60 km weit entfernt gefunden und nach Duhok gebracht worden. Ein Mann mit seinem Sohn bringt den Hund zu Sulaiman, der das gebrochene Bein eingipst. Der Mann will den kleinen Hund adoptieren…wir freuen uns. Und es ist ein wichtiges Zeichen für dieses Land: Hunde waren bis vor Kurzem nicht akzeptiert, jetzt sieht man Leute mit Hunden spazieren gehen, Hunde werden auf der Straße gefüttert, Rassehunde sind ein Statussymbol geworden.
Ein langer Tag geht zu Ende und ich falle müde ins Bett.
24.4.
Am nächsten Morgen fahren wir zu Hunden, die Männer auf einem Betriebsgelände, man verkauft Erdöl, füttern.
Etliche Hunde laufen durch das hohe Gras, noch ist alles herrlich grün im Irak.
Einige der Hunde sollen geimpft werden, doch die lassen sich nicht so einfach fangen. Nach längerem Warten und Anpirschen gelingt es einem der Männer. Die Hunde sind in gutem Zustand, einer wurde von Sulaiman vor einiger Zeit genäht, weil er eine Verletzung hatte, die jedoch gut abgeheilt ist. Ich rede mit einem jungen Mann, er sagt mir, er kommt aus Syrien, er ist geflüchtet. Ich frage ihn, ob er sein Land vermisst und er sagt, ja, er vermisst Damaskus, das sei eine so schöne Stadt…der Irak und besonders Kurdistan hat viele Flüchtlinge aufgenommen. Man sieht die Flüchtlingscamps wie riesige, silberfarbene Seen in der Ferne in der Sonne glänzen…2016 habe ich einige davon besucht. Tausende Menschen wohnen dort in Zelten oder Containern und niemand kann sagen, wann sie wieder in die Normalität zurückkehren können. Denn ihre Städte sind zerstört.
Dann fahren wir ein armes Viertel von Duhok. Heruntergekommene Häuser, vom Glanz der Innenstadt ist hier nichts zu sehen. Kinder und Hühner treiben sich auf den Straßen herum.
Ein Mann will seine Hunde impfen lassen. Ein Rottweilermischling hängt an der Kette, der andere Hund ist frei. Man sagt, sie lassen sich nicht angreifen, Sulaiman geht zum Auto, um die Fangschlinge zu holen. Ich sitze bei den Hunden, die meine Hand beschnuppern, sich streicheln lassen und Pfoti geben. Gedankenversunken merke ich nicht, dass das halbe Viertel sich versammelt hat und mich ansieht als käme ich von einem anderen Stern. Ungläubig verfolgen sie mein Tun, staunen und lächeln. Erst jetzt wird mir bewusst, was die Ursache ist. Sie können es nicht fassen, dass ich die Hunde angreifen kann. Sulaiman erklärt ihnen, sie sollen die Hunde ansprechen, ihnen kleine Bissen Futter zusätzlich geben, sich nähern, damit die Hunde Vertrauen fassen…hier ist noch viel zu tun…
Am Nachmittag verteilen wir Einladungen zu einer wichtigen Veranstaltung am nächsten Tag.
Es geht um das Gesetz und unter anderem um das Verhindern von Wald- und Flächenbränden.
Am Abend kümmern wir uns dann wieder um die Streuner, aber auch Privathunde werden von Sulaiman behandelt…bei reichen Leuten…so auch ein Husky mit blauen Augen…die fast am Sterben ist. Trotz Impfung scheint er Parvovirose zu haben.
25.4.
Ein besonders wichtiger Tag für Natur, Tiere und Umwelt.
Sulaiman hat mit mir eine Veranstaltung zum Thema Wald- und Flächenbrände organisiert und eingeladen sind Vertreter von Polizei, Feuerwehr, vom kurdischen Parlament, der Forstbehörde, Umweltorganisationen…
Schon vor Beginn geben wir Interviews an alle Fernsehsender, mindestens 6 verschiedene, die auch live schalten…
Mein Betrag wird synchron übersetzt.
Ich referiere im Vortragssaal über die Auswirkungen von Bränden auf Tiere und Natur (ich bin hier eigentlich keine Expertin, doch vieles ist logisch, einiges habe ich mir zuvor erarbeitet, etwa wie Brände entstehen, auch die Auswirkungen auf die Luftqualität usw.).
Diese Veranstaltung legte einen weiteren Grundstein für das wichtige Tierschutzgesetz, das Sulaiman bereits ausgearbeitet hat und woran Robin Hood sich inhaltlich beteiligt.
Brände vernichten jährlich tausende Quadratkilometer an Land, roden die Natur und töten Unmengen an Tieren, nicht nur Kleinstlebewesen sondern sogar Schafe, die dem Feuer nicht entkommen können. Fast immer ist der Mensch schuld durch offenes Feuer, Zigaretten…
Nach dieser wichtigen Sitzung, bei der lange und ausführlich diskutiert worden ist, freue ich mich ganz besonders, dass alle sich noch zu einem Foto treffen und wir gemeinsam das Robin Hood – Transparent „Respect for all creatures“ halten. Ein Vertreter des Kurdenparlaments wollte auch noch ein Foto mit mir gemeinsam machen (soviel zum Thema, dass Frauen im Irak nichts wert sind 😉 )
Zu Mittag bin ich immer bei Sulaimans Familie zum Essen eingeladen, die Kurden sind bekannt für ihre Gastfreundschaft. Amal (das bedeutet Hoffnung), Sulaimans Frau, kocht immer vegan für mich und sie kocht ausgezeichnet.
Am Nachmittag haben Sulaiman und ich wieder volles Programm. Streuner werden ge- und besucht, gefüttert.
Wir fahren in Privathaushalte, immer mehr Menschen halten sich Hunde, sie werden behandelt und geimpft. Auf meine Frage wie es sich nun mit den Hunden und dem Islam verhält, antwortet Sulaiman , dass Hunde nun nicht mehr haram, also unrein sind. Hunde sind zu Partnern und zu Freunden geworden und selbst viele der Streunerhunde auf Marktständen, Tankstellen etc. werden gefüttert und Sulaiman wird gerufen, wenn sie verletzt sind oder geimpft werden müssen. Wir denken nun darüber nach, auch Streuner in Duhok zu kastrieren, denn Welpen haben es dort natürlich schwer.
Auch zu Stella, dem kranken Husky fahren wir wieder und freuen uns, dass es ihr besser geht.
Schon ist die Nacht wieder hereingebrochen, aber hier haben die Geschäfte fast die ganze Nacht offen. Ich entscheide mich noch für einen kleinen Spaziergang. Prächtige Geschäfte mit riesigen Kronleuchtern rufen mein Erstaunen hervor…Billigshops mit Jeans und T-Shirts, edle Kaffeeläden mit funkelnden Kaffemaschinen…Süßwaren, aufgehäuft auf riesigen Tischen..Stoffwaren…der reiche Teil von Kurdistan erinnert an 1001 Nacht.
26.4.
Hier in Duhok sieht man nichts vom Krieg, aber nur etwa 1,5 Stunden entfernt, in Mossul, ist alles zerstört und nur langsam kehrt das Leben zurück. Die vielen Flüchtlingscamps sind traurige Zeugen eines sinnlosen Krieges.
Auf der Strecke geblieben sind nicht nur unzählige, unschuldige Menschen, sondern auch Tiere.
Gerade die Ziegen-und Schafherden wurden mit ihren Besitzern vertrieben und viele verdursteten und verhungerten auf der Flucht. Robin Hood hat auch hier geholfen, mit Wassertränken zum Beispiel. Denn uns sind alle Tiere gleich wichtig.
Auch am vierten Tag führt uns unser erster Weg uns außerhalb von Duhok. Die Landschaft zeigt sich im frühlingshaften Grün jetzt im April, doch schon bald wird alles verdorrt sein.
Zwischen Hügeln finden wir Hunde. Einer hat sich oben am Berg versteckt. Müll lagert hier zwischen toten Schafen…
Ein trauriger Anblick. Die Hunde sind scheu…als ich mich hinsetze, kommen sie nach einer Weile langsam näher. Auch sie bekommen Futter von uns, das sie dankbar annehmen.
Sulaiman und ich werden nachdenklich, wir müssen hier nachhaltig helfen…
Dann geht es zum „Friday animal market“, der im Rahmen des normalen Marktes abgehalten wird. Männer gehen mit Hühnern, die sie an den Beinen haltend, kopfüber, achtlos tragen. Unzählige Vögel in allen Variationen, vom Wellensittich, über Tauben, Wildvögel, in engen Käfigen. Kaninchen und andere Tiere werden zum Verkauf angeboten. Nicht selten auch Wildfänge wie Bären, Wölfe, Dachse, Eichhörnchen, Greifvögel…
Darunter auch Waffen, die völlig legal hier zu erwerben sind. Die Jagd ist ein modernes und beliebtes Hobby geworden. Sulaiman sagt mir, dass er diesen Waffenverkauf am Markt im Rahmen des Tierschutzgesetzes, an dem er arbeitet, verbieten lassen möchte.
Diese Märkte machen wir das Herz schwer. All diese Tiere, ohne Schatten, ohne Wasser…unser Workshop am Sonntag wird genau das zum Thema haben. Hier muss endlich etwas geändert werden.
Am Freitag ist hier Sonntag, sprich Feiertag und die Familien fahren aufs Land zum Picknick.
Ich werde von Sulaimans Familie eingeladen und kurzerhand befinden wir uns stadtauswärts im dichten Verkehr – alle fahren aufs Land. Dazwischen halten wir an und Sulaiman geht in die Moschee zum Gebet. Als strenggläubiger Moslem betet er 5 Mal am Tag. Wir reden sehr offen über Religion und er beantwortet mir immer offen all meine Fragen. Ich merke, dass der Koran eigentlich viel Gutes beinhaltet, auch was Tiere anbelangt. Leider ist es auch hier immer Auslegungssache, was die Menschen eben daraus machen, wie auch beim Christentum und anderen Religionen. (Sulaiman fordert mich immer wieder auf, doch von den Fleischgerichten zu kosten, da diese doch so gut schmecken…in diesem Zusammenhang erkläre ich ihm, ich esse keine Tiere, das sei meine Religion. Das akzeptiert er.)
Die Landschaft ist zauberhaft, anders kann man sie nicht benennen. Der Himmel ist Azur, weiße Wolken treiben sich darauf herum, Wiesen und Felder erstrahlen in frischem Grün…dazwischen rote Blumen, gelbe, lilafarben. Die Frauen tragen die kurdische Tracht, lange, bunte Kleider, mit Zipfelärmeln, die am Rücken locker zusammengebunden sind. Alle sind herausgeputzt, auch die kleinen Mädchen tragen diese Kleider.
Überall stehen Autos, picknicken Menschen, essen und tanzen.
Sulaimans Familie ist schon da und heißt mich willkommen. Ich darf neben seiner Mutter Platz nehmen, man sitzt auf Decken am Boden. Ein langes Tischtuch wird ausgebreitet und das Essen daraufgestellt. Sulaimans Frau, Amal, hat wieder einmal vegan für mich gekocht. Reis mit Kichererbsen, Salat, das köstliche Fladenbrot in das etwas wie Spinat eingebacken worden ist, eine Köstlichkeit.
Doch davor – Selfiemania. Alle Frauen und Kinder gehen auf die Blumenwiesen und machen Fotos, Selfies, Fotos mit mir. Auch ich darf fotografieren, darf aber leider die Fotos der Frauen nicht publizieren, obwohl sie wunderschön geworden sind. Die Frauen in den bunten Kleidern unter den Blumen…
Ich unterhalte mich mit Sulaimans Brüdern, die Englisch sprechen, die Frauen sind für mich leider sprachlich unerreichbar, was ich sehr schade finde, daher beschränken wir uns auf lächeln.
Sulaiman und ich brechen früher auf, auf uns wartet noch Arbeit.
Er muss zu Patienten und wir müssen uns noch auf den nächsten Tag vorbereiten: World Veterinary Day – an der tierärztlichen Universität.
27.4.
Heute ist Welttierärztetag und Sulaiman hat an der Veterinärmedizinischen Universität eine Veranstaltung geplant.
Doch selbst an diesem Tag fahren wir zuvor noch Streunerhunde füttern.
Diesmal zu einer Tankstelle, wo ein entzückender Junghund auf uns wartet, der sich vor Freude gleichmal anpinkelt J
Ein Mann, der dort beschäftigt ist, kommt zu uns, Sulaiman spricht mit ihm. Immer erlebe ich, dass die Menschen freundlich reagieren, die Hunde füttern und auch wollen, dass Sulaiman sie impft, behandelt und wenn möglich kastriert. Robin Hood unterstützt Sulaiman und die Tiere seit 2015, wir bekommen einen monatlichen Bericht und die Rechnungen, was mit unserem Geld getan wurde. Wir merken immer mehr, dass wir auch hier kastrieren sollten…und planen…
Hinter einem Tank-LKW liegen weitere Hunde im Schatten, große, kurdische Herdenschutzhunde, auch sie freuen sich über unser Futter. Eine große Hündin, der man ansieht, dass sie gerade Junge hat, trottet an uns vorbei. Obwohl die ersten Tage noch kühler waren und es bevor ich im Irak landete, geregnet hat wie aus Fässern, Straßen überschwemmt waren, merkt man, die Hitze schleicht sich schon auf leisen Sohlen an…bald wird es hier an die 40 Grad haben…das schöne Grün wird verdorrt sein.
Dann geht es zur Universität, ein festlich geschmückter Saal, die ersten Zuhörer, unter ihnen auch weibliche Tierärztinnen in der traditionell kurdischen Kleidung. Auch der Dekan erscheint in kurdischer Tracht. Sulaiman hält seien Vortrag, so auch der Dekan und auch ich darf über die Gesetzesänderungen sprechen, die wir in Österreich dank unserer Tierrechtsbewegung bereits erreicht haben.
Danach werden wir geehrt J Auch ich erhalte für unsere Arbeit in Kurdistan eine schöne Glasskulptur mit den Insignien der Universität.
Als Dankeschön bekommt der Dekan einen Grönlandkalender von mir.
Danach gibt es Mittagessen in der Mensa, wo ich vegane Köstlichkeiten finde…ich esse mit der Frau des Dekans, die auch Tierärztin ist und einer Kollegin von ihr. Sie erzählt mir, sie ist in einem Nachbarort tätig und man wollte dort die Streunerhunde töten, was sie aber verhindern konnte, weil sie auf den Koran verwies, worin steht, dass man Tiere ohne Grund nicht töten darf. Einmal mehr merke ich, dass im Koran wohl weise Dinge stehen, die Menschen aber leider auch aus dieser Religion viel Schlechtes machen. Wie überall auf der Welt und wie in allen Religionen…
Danach fahren wir mit dem Dekan und seiner Frau zum Kaffee nach Hause, wo uns die zwei Töchter, beide in engen Jeans und T-Shirts, normale Teenager, wie auch bei uns, erwarten.
Und – sie haben einen Vogel J als Haustier. Als man mir das erzählte, ahnte ich Schlimmes. Doch zu meinem Erstaunen ist der Vogel immer frei…lässt sich auf den Schultern eines der Mädchen nieder und sieht glücklich aus. Ich denke mir, diese Tiere sollten paarweise gehalten werden…vielleicht sollte ich es sagen…aber immerhin ist dieser Vogel nicht im Käfig.
Schnell den Kaffee getrunken, schon eilen wir weiter. Von Sulaiman kann selbst ich noch punkt Geschwindigkeit lernen…
Wir fahren zum Markt, hier reihen sich Marktstände, Geschäfte, kleine Restaurants aneinander, dazwischen ein Gewirr von Stromleitungen, ich möchte hier nicht nach einer defekten Leitung suchen…kein Wunder, dass der Strom ständig ausfällt…
Gemessenen Schrittes durchschreiten wir den Markt und kommen zu einem Marktviertel, an dem sich eine Tierhandlung an die nächste reiht. 1000e Vögel aller Art in Käfigen, Hühner, Kaninchen, Fische, aber auch Katzen in kleinen Käfigen und – ein junger, blauäugiger Husky ebenfalls in einem Käfig so klein wie er selbst. Über seinem Käfig ein weiterer mit einem Hund, auch daneben. Ich bin einmal mehr schockiert. Doch immerhin gibt man dem Kleinen Wasser…wir verteilen die Einladungen für den Workshop am nächsten Tag, bei dem es um Verbesserungen in der Tierhaltung in Zoos, Tiermärkten und Tierhandlungen geht.
Am Abend gehe ich in den Zoo. Man merkt schon den nahen Sommer an diesem lauen Frühlingsabend und unzählige Menschen tummelen sich. Der Zoo ist ein Funpark…Kinder toben auf Minilokomotiven, Rutschen, Schaukeln – ein Höllenlärm.
Viele Hunde hinter Gittern…zum Verkauf…Huskies werden mit Chips gefüttert…so wie auch die Lamas und Affen und Papageien…Blechdosen und Müll in den Käfigen…Enten naschen von gewürztem Brot…
Viele Wildfänge aus der irakischen Natur wie die Bären und Wölfe, die völlig stereotyp auf und ab laufen…ein Bär liegt nur mehr lethargisch herum, er hat aufgegeben.
Neben mir Gejohle, Selfies, Fotos. Mir schnürt es das Herz ab und mit eisiger Mine mache ich Fotos, beäugt von den Besuchern…die meinen wütenden Gesichtsausdruck wohl gar nicht verstehen.
Zugegeben, seit 2016 hat sich einiges verbessert, die Papageien leben nicht mehr in ganz so kleinen Käfigen…auch andere Tiere haben es marginal besser. Pferde stehen in Betongehegen, werden zum Reiten auf der Wiese rausgeholt.
Ich blicke in unendlich viele traurige Augen. Gleich am Eingang sitzen Hamster in einem Glasterrarium ohne Deckel, ohne Versteckmöglichkeit. Daneben Katzen im Käfig, eine hat Welpen, sie miaut kläglich. Sie hocken ebenfalls ohne Rückzugsmöglichkeit, ohne Wasser im Käfig—zum Verkauf bereitgestellt.
Noch in derselben Nacht schreibe ich alles auf, mache eine PowerPoint-Präsentation, die ich am nächsten Tag zeigen werde.
28.4.
Der Workshop für Zoos, Tiermärkte und Tierhandlungen findet an diesem Tag statt.
Ein Tierarzt referiert über mögliche Krankheiten bei schlechter Haltung, sagt, wie man Vögel möglichst gut halten soll, dass Tiere Rückzugsmöglichkeiten benötigen und vieles andere.
Es sind einige Tierhändler da, die interessiert lauschen.
Meine Präsentation handelt vom Zoo, von den Tiermärkten, von den Tierhandlungen.
Was man tun muss, was man besser machen kann, wie man Tieren etwas mehr Abwechslung bietet.
Dann zeige ich noch einen Film über die Arbeit von Robin Hood.
Meiner Meinung nach hätten mehr Vertreter anwesend sein sollen, auch der Zoobesitzer war nicht da. Für ihn werde ich noch ein Schreiben mit meinen Ratschlägen ausarbeiten, das Sulaiman ihm geben wird.
Im Zuge der Ausarbeitung des Tierschutzgesetzes wird es auch hier Veränderungen geben müssen.
Nach dem Mittagessen bei Sulaimans Frau fahren wir zu den Peshmergas. Die kurdischen Kämpfer halten noch überall die Stellung.
Wir treffen einen General in einem etwa eine Stunde von Duhok entfernten Stützpunkt. Der General lädt uns zu Kaffee, Obst und Schokolade in seinem Bürocontainer, der mit Sitzgarnitur, Schreibtisch, denn omnipräsenten Barzani-Bildern und Blumen eingerichtet ist.
Er erzählt mir von den Peshmergas, der Geschichte der unterdrückten Kurden…Sulaiman übersetzt. Am Schluss eine wichtige Bemerkung: Der IS ist keineswegs besiegt. Er hat nur die Kleidung gewechselt und kann überall wieder auftauchen, so der Peshmerga-General. Wie kann man ihn erkennen? frage ich. Das könnt ihr aus dem Westen uns besser sagen, die kryptische Antwort des Peshmerga-Generals…
Dann machen wir uns auf die Suche nach den Streunerhunden. Bewaffnete Soldaten gehen hinter uns, vor uns…Ein Soldat macht Fotos. Ich frage, ob ich auch fotografieren darf – ich darf.
Wir sehen den Mossul-Damm silbern in der Ferne schimmern. Auf grünen Wiesen tummeln sich Schafe, kleine, kurdische Dörfer liegen unweit des Checkpoints. Eigentlich eine Idylle…nur die Soldaten erinnern daran, was Sache ist.
Wir finden einen Hund, der abgemagert und krank herumschleicht. Wir sehen ihn uns an, die Räude frisst ihn fast auf. Der Arzt der Peshmergas geht an meiner Seite und sagt, er wird ihn erschießen. Ich bitte ihn, das nicht zu tun. Sulaiman ist schon zur Stelle und sagt, er wird ihn behandeln, gleich am nächsten Tag. Das hat er auch gemacht, er ist immer wieder gekommen und dem Hund geht es deutlich besser. Wieder ein Hund, der durch die Unterstützung von Robin Hood gerettet werden konnte. Ein Puzzleteilchen ich weiß…aber besteht nicht die ganze Welt aus Puzzleteilchen?
Wir finden noch Welpen, die sich in eine Erdhöhle kuscheln…wie wird ihre Zukunft aussehen?
Andere Hunde folgen uns. Die Peshmergas füttern sie…obwohl der General anmerkt, es leiden so viele Menschen…ich antworte: Wer Tieren hilft, hilft indirekt auch den Menschen. Er nickt.
Wir lassen einen großen Sack Futter bei den Soldaten.
Dann fahren wir zurück nach Duhok, vorbei an weiteren Checkppoints, die wir alle unkontrolliert passieren dürfen.
Wir widmen uns wieder unseren Streunern, die hungrig warten.
Mein letzter Tag im Irak. Morgen geht es nach Hause.
Es wird mir wohl kaum jemand glauben, aber ich mag dieses Land. Kurdistan, über den Rest des Iraks kann ich nichts sagen. In Kurdistan begegnete ich aufgeschlossenen, freundlichen Menschen. Viele haben ein Herz für Tiere und viele wollen etwas ändern. Viele wissen nicht wie. Das ist unsere Chance, die wir den Tieren geben können.
Mit einem Tierschutzgesetz.
Sulaiman und ich haben viel geredet, viel geplant. Von einem „Safe Heaven“, den Robin Hood auch für Rumänien plant. Einem eingezäunten Grundstück, in dem wir die Bäume und andere Pflanzen wachsen lassen, versetzt mit Hundehütten, wo die Hunde sich frei bewegen können. Sulaiman erzählt mir, dass er das bereits in der Türkei gesehen hat. Wir wollen uns den türkischen Safe Heaven einmal gemeinsam ansehen.
Aber wir benötigen auch ein kleines Tierspital. Das Grundstück haben wir, Sulaiman hat es von der kurdischen Regierung bekommen. Ein Container ist schon um 2000 Euro zu haben, gebraucht noch günstiger. Das erscheint uns realistisch und darauf fokussieren wir uns in naher Zukunft. Das Gute in Kurdistan, wir können kastrierte Streuner wieder frei lassen und an ihren Plätzen füttern. Alle kranken Tiere können wir im Tierspital gesund pflegen. Sulaiman hilft schon jetzt allen Tieren, egal ob Ziege, Wildtier, Vogel, Hund, Katze…das Spital würde seine Arbeit beträchtlich erleichtern.
29.4.
Im Motel erwarte ich Sulaiman zum Interview, das ich filme.
Ich stelle ihm Fragen zum Islam und den Hunden, zum Tierschutzgesetz, zur Zukunft der Tiere in Kurdistan, zu Veganismus.
Die Antworten sind überraschend. Hunde sind nicht länger haram, also unrein, sie werden immer mehr akzeptiert.
Auch eine immer größer werdende vegane Szene bildet sich hier. Ich selbst bin jungen Menschen begegnet, die es ablehnen, Tiere zu essen.
Selbst Sulaiman sagt, er schränkt seinen Fleischkonsum bereits ein und lebt gut mit den köstlichen vegetarischen Gerichten, die die kurdische Küche zu bieten hat.
Hoffnung?!
Passend zum Abschied regnet es…wir fahren zum Flughafen.
Vor einer Imbissbude auf einer stark befahrenen Straße finden wir einen Welpen. Wir füttern ihn und Sulaiman redet mit dem Kioskbesitzer. Der sagt, er füttert den Hund und achtet darauf, dass er nicht auf die Straße läuft.
Vor uns fährt eine absolute Rarität und Sulaiman bittet mich lachend, ein Foto zu machen.
Ein Moped (gibt es fast nie hier) und am Sozius eine Frau (mit Kopftuch).
Der Flughafen in Erbil ist nicht mit dem Privatauto zu erreichen, man muss den Bus zum und von einem Parkplatz nehmen. Mir graut davor, denn mein Rucksack ist schwer, obwohl ich viel Ballast bei Sulaiman gelassen habe (ein Dirndl für die kleine Tochter J, eine Schermaschine für die Tiere, Kalender, Flyer, Gewürze und Tee aus Österreich), nehme ich auch wieder viel mit. Sulaimans Frau hat mir wieder ein kurdisches Kleid genäht (eins habe ich schon von meinem letzten Besuch), der schwere Preis aus Glas von der Uni…). Kurz vorm Flughafen werden wir auf Waffen gecheckt, Sulaiman spricht mit einem Polizisten (mit Spürhund, ein Malinois). Er darf mit seinem Auto ausnahmsweise zum Flughafen direkt fahren…wir fühlen uns VIP 😉
Abschied von Sulaiman. Dieser aktive Mann, der wie ein Elektron in und um Duhok herumwuselt, hat das Herz am rechten Fleck.
Goodbye Sulaiman, goodbye Kurdistan. Ich werde Euch vermissen. Und wieder kommen. Und zwischenzeitlich daran arbeiten, dass sich das Leben der Tiere in Kurdistan verbessert.